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Gipfelerklärung anlässlich des Treffens des Nordatlantikrats auf Ebene der Staats- und Regierungschefs der NATO am 29. Juni 2022 in Madrid

29.06.2022 - Artikel

1. Wir, die Staats- und Regierungschefs des Nordatlantischen Bündnisses, sind in Madrid zusammengekommen, während der Krieg auf den europäischen Kontinent zurückgekehrt ist. Wir stehen vor einer für unsere Sicherheit und für Frieden und Stabilität auf der Welt kritischen Zeit. Geschlossen und solidarisch stehen wir zueinander und bekräftigen den fortwährenden transatlantischen Bund zwischen unseren Nationen. Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis und stellt für kein Land eine Bedrohung dar. Sie bleibt die Grundlage unserer kollektiven Verteidigung und das unverzichtbare Forum für sicherheitspolitische Konsultationen und Beschlüsse unter den Verbündeten. Unser Bekenntnis zum Vertrag von Washington einschließlich Artikel 5 ist unverbrüchlich. In diesem radikal veränderten Sicherheitsumfeld ist dieses Gipfeltreffen ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg, unser Bündnis zu stärken und seine Anpassung zu beschleunigen.

2. Wir sind geeint in unserem Bekenntnis zu Demokratie, individueller Freiheit, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit. Wir halten am Völkerrecht und an den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen fest. Wir sind entschlossen, die regelbasierte internationale Ordnung aufrechtzuerhalten.

3. Wir verurteilen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine auf das Schärfste. Er untergräbt die internationale Sicherheit und Stabilität schwerwiegend. Er stellt eine eklatante Verletzung des Völkerrechts dar. Russlands entsetzliche Grausamkeit hat immenses menschliches Leid und massive Flucht und Vertreibung mit besonders starken Auswirkungen auf Frauen und Kinder verursacht. Russland trägt die volle Verantwortung für diese humanitäre Katastrophe. Russland muss sicheren, ungehinderten und dauerhaften humanitären Zugang ermöglichen. Die Verbündeten arbeiten mit den jeweiligen Akteuren in der internationalen Gemeinschaft zusammen, um all diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die für Kriegsverbrechen einschließlich konfliktbezogener sexueller Gewalt verantwortlich sind. Russland hat außerdem mutwillig eine Ernährungs- und Energiekrise für Milliarden Menschen auf der ganzen Welt verschlimmert, und zwar auch durch sein militärisches Vorgehen. Die Verbündeten arbeiten eng zusammen, um die internationalen Anstrengungen zu unterstützen, die darauf abzielen, die Ausfuhr von ukrainischem Getreide zu ermöglichen und die globale Ernährungskrise zu lindern. Wir werden weiter gegen Russlands Lügen angehen und weisen die unverantwortliche Rhetorik Russlands zurück. Russland muss diesen Krieg sofort beenden und sich aus der Ukraine zurückziehen. Belarus muss damit aufhören, sich in diesem Krieg zum Komplizen zu machen.

4. Wir begrüßen die Teilnahme von Präsident Selensky an diesem Gipfeltreffen nachdrücklich. Wir stehen in uneingeschränkter Solidarität zu der Regierung und der Bevölkerung der Ukraine bei der heldenhaften Verteidigung ihres Landes. Wir bekräftigen unsere unerschütterliche Unterstützung für die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen, was auch für ihre Hoheitsgewässer gilt. Wir unterstützen in vollem Umfang das ureigene Recht der Ukraine, sich selbst zu verteidigen und ihre eigenen Sicherheitsvorkehrungen zu wählen. Wir begrüßen die Anstrengungen aller Verbündeter, die der Ukraine Unterstützung zukommen zu lassen. Wir werden ihnen angemessen zur Seite stehen und dabei ihre jeweilige Situation berücksichtigen.

5. Wir stehen weiter spezifischen Bedrohungen aus allen strategischen Richtungen gegenüber. Die Russische Föderation ist die größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum. Der Terrorismus in all seinen Erscheinungsformen und Ausprägungen stellt weiterhin eine unmittelbare Bedrohung für die Sicherheit unserer Bevölkerungen sowie für die Stabilität und den Wohlstand weltweit dar. Wir lehnen Terrorismus kategorisch ab und verurteilen ihn auf das Schärfste. Die Verbündeten werden sich weiter mit Bestimmtheit, fest entschlossen und solidarisch sowie im Einklang mit dem Völkerrecht den Bedrohungen aus Russland entgegenstellen und auf dessen feindliches Vorgehen reagieren sowie den Terrorismus bekämpfen.

6. Wir sehen uns mit Cyber-, aus dem Weltraum herrührenden, hybriden und anderen asymmetrischen Bedrohungen sowie dem böswilligen Einsatz aufstrebender und disruptiver Technologien konfrontiert. Wir stehen dem systemischen Wettbewerb mit denjenigen gegenüber – darunter die Volksrepublik China –, die unsere Interessen, unsere Sicherheit und unsere Werte infrage stellen und versuchen, die regelbasierte internationale Ordnung zu untergraben. Instabilität jenseits unserer Grenzen trägt auch zur irregulären Migration und zum Menschenhandel bei.

Vor diesem Hintergrund haben wir folgende Beschlüsse gefasst:

7. Wir haben ein neues Strategisches Konzept verabschiedet. Es beschreibt das Sicherheitsumfeld, dem das Bündnis gegenübersteht, bekräftigt unsere Werte und erläutert die Hauptaufgabe und größte Verantwortung der NATO, und zwar unsere kollektive Verteidigung auf der Grundlage eines 360-Grad-Ansatzes sicherzustellen. Es führt außerdem die drei Kernaufgaben der NATO auf: Abschreckung und Verteidigung, Krisenprävention und -bewältigung sowie kooperative Sicherheit. Es wird unsere Arbeit in den nächsten Jahren im Geiste unserer transatlantischen Solidarität leiten.

8. Wir werden die politische und praktische Unterstützung für unseren engen Partner, die Ukraine, fortsetzen und weiter erhöhen, während diese ihre Souveränität und territoriale Unversehrtheit weiter gegen die russische Aggression verteidigt. Gemeinsam mit der Ukraine haben wir ein verstärktes Unterstützungspaket beschlossen. Damit wird die Lieferung nichttödlicher Verteidigungsausrüstung beschleunigt, die Cyber-Abwehr und -Resilienz der Ukraine verbessert und zur Modernisierung ihres Verteidigungssektors hin zu stärkerer langfristiger Interoperabilität beigetragen. Wir werden der Ukraine langfristig beistehen und ihre Anstrengungen beim Wiederaufbau nach dem Krieg und in Bezug auf Reformen unterstützen.

9. Wir haben eine neue Grundanforderung für unser Abschreckungs- und Verteidigungsdispositiv festgelegt. Die NATO wird unsere Bevölkerungen weiter schützen und jeden Zentimeter des Bündnisgebiets zu jeder Zeit verteidigen. Wir werden auf unserem neu aufgestockten Dispositiv aufbauen und unsere Abschreckung und Verteidigung langfristig und deutlich stärken, um die Sicherheit und Verteidigung aller Verbündeter sicherzustellen. Dies werden wir mit unserem 360-Grad-Ansatz in den Dimensionen Land, Luft, See, Cyber und Weltraum und in Bezug auf alle Bedrohungen und Herausforderungen tun. Die Rolle der NATO beim Kampf gegen den Terrorismus ist fester Bestandteil dieses Ansatzes. Die Verbündeten haben zugesagt, zusätzliche robuste kampfbereite Kräfte vor Ort an unsere Ostflanke zu verlegen, wobei die bestehenden Gefechtsverbände, wo und wenn erforderlich, auf Einheiten von Brigadegröße aufgestockt werden; dies wird mit glaubwürdigen, schnell verfügbaren Verstärkungskräften, einsatznah bereitgestelltem Gerät und optimierter Führung gestützt. Wir begrüßen die Zusammenarbeit zwischen den Rahmennationen und den Aufnahmestaaten bei der Stärkung von Streitkräften und Führung einschließlich des Aufbaus von Strukturen auf Divisionsgröße. Wir begrüßen die ersten Angebote von Verbündeten in Bezug auf das neue Streitkräftemodell der NATO, mit dem die NATO-Streitkräftestruktur gestärkt und modernisiert und entsprechende Ressourcen für die neue Generation unserer Militärpläne bereitgestellt werden. Wir werden unsere Übungen zur kollektiven Verteidigung erweitern, um auf hochintensive und multidimensionale Operationen vorbereitet zu sein, und die kurzfristige Verstärkung eines jeden Verbündeten sicherstellen. All diese Schritte werden die Abschreckung und Vorneverteidigung der NATO deutlich stärken. Dies wird dazu beitragen, jegliche Aggression gegen das Gebiet der NATO vorzubeugen, und zwar indem jedem potenziellen Gegner verwehrt wird, seine Ziele zu erreichen.

10. Resilienz in eine nationale Aufgabe und eine kollektive Verpflichtung. Wir erhöhen unsere Resilienz, und zwar auch mit auf nationaler Ebene entwickelten Zielen und Umsetzungsplänen, und werden dabei von Zielen geleitet, die die Verbündeten gemeinsam entwickelt haben. Ebenfalls erhöhen wir die Sicherheit unserer Energieversorgung. Wir werden gewährleisten, dass unsere Streitkräfte zuverlässig mit Energie versorgt werden. Wir werden unsere Anpassung in allen Dimensionen beschleunigen und damit unsere Resilienz gegenüber Cyber- und hybriden Bedrohungen erhöhen und unsere Interoperabilität steigern. Wir werden unsere politischen und militärischen Instrumente auf ganzheitliche Weise einsetzen. Wir haben eine neue Politik zur Abwehr chemischer, biologischer, radiologischer und nuklearer Bedrohungen verabschiedet. Wir werden unsere Cyber-Abwehr durch intensivere zivil-militärische Zusammenarbeit deutlich stärken. Wir werden auch unsere Partnerschaft mit der Industrie ausbauen. Die Verbündeten haben beschlossen, auf freiwilliger Basis und unter Verwendung nationaler Mittel, eine virtuelle Cyberfähigkeit zur schnellen Reaktion auf größere böswillige Cyberaktivitäten aufzubauen und anzuwenden.

11. Wir schaffen einen Beschleuniger für Verteidigungsinnovationen und starten einen multinationalen Innovationsfonds, mit dem wir die Regierungen, den Privatsektor und die Wissenschaft zusammenbringen, um unseren technologischen Vorsprung auszubauen. Wir haben eine Strategie verabschiedet, mit der die nahtlose Bereitstellung der nächsten Generation des Luftgestützten Frühwarn- und Überwachungssystems (AWACS) und der damit zusammenhängenden Fähigkeiten sichergestellt wird.

12. Der Klimawandel ist eine prägende Herausforderung unserer Zeit und hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Sicherheit der Verbündeten. Er ist ein Bedrohungsmultiplikator. Wir haben ein Ziel zur deutlichen Reduzierung der Treibhausgasemissionen der politischen und militärischen Strukturen und Einrichtungen der NATO beschlossen, mit dem wir gleichzeitig die operative und militärische Wirksamkeit sowie die Kosteneffizienz erhalten. Wir werden den Klimawandel bei allen Kernaufgaben der NATO berücksichtigen.

13. Wir betonen die Bedeutung von menschlicher Sicherheit und gewährleisten, dass die Grundsätze der menschlichen Sicherheit in unsere drei Kernaufgaben miteinbezogen werden. Wir fördern eine robuste Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ und binden Geschlechterperspektiven in die gesamte NATO ein.

14. Wir haben uns hier in Madrid mit vielen Partnern der NATO getroffen. Wir sind zu einem wertvollen Gedankenaustausch mit den Staats- und Regierungschefs von Australien, von Finnland, von Georgien, von Japan, der Republik Korea, von Neuseeland, von Schweden und der Ukraine sowie mit dem Präsidenten des Europäischen Rates und der Präsidentin der Europäischen Kommission zusammengekommen. Wir begrüßten die Gespräche mit den Außenministern von Jordanien und Mauretanien sowie dem Verteidigungsminister von Bosnien und Herzegowina.

15. Angesichts des beispiellosen Grades unserer Zusammenarbeit mit der Europäischen Union werden wir unsere strategische Partnerschaft im Geiste vollständiger gegenseitiger Offenheit, Transparenz, Komplementarität und Achtung der unterschiedlichen Aufträge, der Autonomie bei der Beschlussfassung und der institutionellen Integrität der Organisationen auf die von den beiden Organisationen vereinbarte Weise weiter stärken. Unsere gemeinsame Entschlossenheit bei der Reaktion auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine zeigt die Stärke dieser einzigartigen und unerlässlichen Partnerschaft. Die Beiträge unserer Partner aus dem Asien-Pazifik-Raum sowie die anderer Partner belegen den Wert unserer Zusammenarbeit bei der Bewältigung gemeinsamer sicherheitspolitischer Herausforderungen.

16. Wir werden unsere Partnerschaften so weiterentwickeln, dass sie weiter den Interessen sowohl der Verbündeten als auch der Partnerländer dienen. Wir werden gemeinsame Ansätze zu den globalen Herausforderungen im Sicherheitsbereich, bei denen die Interessen der NATO betroffen sind, besprechen, unsere Sichtweisen in einem vertieften politischen Dialog austauschen und konkrete Kooperationsbereiche ermitteln, um gemeinsame sicherheitspolitische Anliegen anzugehen. Wir werden nun mit der Stärkung unseres Engagements mit bestehenden und potenziellen neuen Gesprächspartnern jenseits des euro-atlantischen Raums fortschreiten.

17. Angesichts des veränderten Sicherheitsumfelds in Europa haben wir neue Maßnahmen beschlossen, um die maßgeschneiderte politische und praktische Unterstützung für Partner wie Bosnien und Herzegowina, Georgien und die Republik Moldau zu erhöhen. Wir werden mit ihnen zusammenarbeiten, um ihre Unversehrtheit und Resilienz zu erhöhen, Fähigkeiten zu entwickeln und ihre politische Unabhängigkeit zu wahren. Wir werden auch unsere Unterstützung für den Aufbau von Kapazitäten für Partner aus dem Süden erhöhen.

18. Wir bekräftigen unser Bekenntnis zur Politik der offenen Tür der NATO. Heute haben wir beschlossen, Finnland und Schweden einzuladen, Mitglieder der NATO zu werden, und vereinbart, die Beitrittsprotokolle zu unterzeichnen. Bei jedem Beitritt zum Bündnis ist es von entscheidender Bedeutung, dass angemessen auf die berechtigten sicherheitspolitischen Anliegen aller Verbündeten eingegangen wird. Wir begrüßen den Abschluss der entsprechenden dreiseitigen Vereinbarung zwischen der Türkei, Finnland und Schweden. Durch den Beitritt Finnlands und Schwedens werden die beiden Länder besser geschützt, die NATO stärker und der euro-atlantische Raum sicherer. Die Sicherheit von Finnland und Schweden ist von unmittelbarer Wichtigkeit für das Bündnis, auch während des Beitrittsprozesses.

19. Wir begrüßen die seit 2014 erzielten beträchtlichen Fortschritte bei den Verteidigungsausgaben der Verbündeten. Im Einklang mit unserer in Artikel 3 des Vertrags von Washington festgeschriebenen Verpflichtung werden wir die eigene und die gemeinsame Widerstandskraft gegen jede Form von Angriff weiter stärken. Wir erneuern unser Bekenntnis zum gesamten Wortlaut der Zusage zu Investitionen im Verteidigungsbereich (Defence Investment Pledge). Wir werden auf dieser Zusage aufbauen und nächstes Jahr Beschlüsse zu weiteren Verpflichtungen nach 2024 fassen. Wir werden sicherstellen, dass für unsere politischen Beschlüsse die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stehen. Wir werden auf den erzielten Fortschritten aufbauen und sicherstellen, dass die erhöhten nationalen Verteidigungsausgaben und die erhöhte Gemeinschaftsfinanzierung der NATO den Herausforderungen einer stärker umkämpften Sicherheitsordnung entsprechen werden. Investitionen in unsere Verteidigung und Schlüsselfähigkeiten sind unverzichtbar.

20. Wir würdigen alle Frauen und Männer, die weiterhin tagtäglich ihren Dienst für unsere kollektive Sicherheit verrichten, und ehren all jene, die Opfer erbracht haben, um uns zu schützen.

21. Wir danken dem Königreich Spanien anlässlich des 40. Jahrestags seines Beitritts zur NATO für seine großzügige Gastfreundschaft. Unserem nächsten Treffen 2023 in Wilna sehen wir erwartungsvoll entgegen.

22. Mit unseren heutigen Beschlüssen haben wir die Richtung der weiteren Anpassung des Bündnisses festgelegt. Die NATO bleibt das stärkste Bündnis der Geschichte. Auf der Grundlage unseres Bundes und unserer gegenseitigen Verpflichtung werden wir die Freiheit und Sicherheit aller Verbündeter und unsere gemeinsamen demokratischen Werte heute und für künftige Generationen weiter schützen.



Dies ist eine Übersetzung. Es gilt die englische und die französischsprachige Originalfassung.



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